Am Mittwoch, den 16. Oktober 2024 meldete die Tagesschau um 11.00 Uhr basierend auf Recherchen des rrb (ARD-Magazin “Kontraste”) über ein Deutsch-russisches Geheimtreffen (Deutsch-russische Treffen – Die rätselhafte Baku-Connection | tagesschau.de).

Am darauffolgenden Sonntagvormittag hielt die Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels, Anne Applebaum, in der Frankfurter Paulskirche eine fulminante Rede zur militärischen Unterstützung der Ukraine. Bis dahin, auch in ihrer Rede und danach wurde von den „friedlichen“ Annäherungsversuchen der Deutschen an das öffentlich isolierte Russland erstaunlich wenig öffentlich. Allein die Mine des polnischen Außenministers und Ehemanns der Preisträgerin Radoslaw Sikorski hätte darauf hindeuten können, dass einige mehr wussten.

An eben diesem Sonntag war eine „Gruppe von einflussreichen Russen und Deutschen in einem Hotel in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan“, verabredet. Das Ziel der Gespräche: die deutsch-russische Zusammenarbeit. Mit dabei sind hochrangige Vertreter des Kreml und laut Programm auch Matthias Platzeck, ehemaliger SPD-Vorsitzender und Brandenburger Ministerpräsident, Ronald Pofalla (CDU), ehemaliger Chef des Bundeskanzleramtes, sowie der ehemalige Geschäftsführer des ,Petersburger Dialogs’, Martin Hoffmann, so jedenfalls berichten die Kontraste-Rechercheure, ähnlich auch in der Zeit zu lesen (ZEIT Nr. 44/2024, 16. Oktober 2024, S.4, Petersburger Dialog : Die Baku-Connection | ZEIT ONLINE). Es ist nicht zu verstehen, warum dieses Treffen in den deutschen und internationalen Medien keine Aufmerksamkeit fand und auch nicht dementiert wurde.

Schon bald nach der Wahl in Brandenburg am 22. September kamen Ministerpräsident Dietmar Woidke, der sächsische Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und der CDU-Spitzenkandidaten aus Thüringen Mario Vogt den Wünschen von Sahra Wagenknecht in einem gemeinsamen FAZ-Artikel sehr weit entgegen. Woidke wird derzeit von der Chefin des Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) besonders gelobt, weil sich SPD und BSW in Brandenburg anders als die Koalitionspartner in Thüringen explizit darauf geeinigt haben, dass sie eine Stationierung von Raketen in Deutschland kritisch sehen. Wörtlich heißt es in einem Entwurf für gemeinsame Sondierungsgespräche von SPD und BSW: „Wir sind übereingekommen, dass wir uns (…) dafür einsetzen, eine diplomatische Lösung des Ukrainekonflikts und den Abbau der damit verbundenen Spannungen innerhalb Europas durch Verhandlungen mit den Konfliktparteien mit dem Ziel von Waffenstillstand und dauerhaftem Frieden voranzutreiben.“

Vor wenigen Tagen gab deshalb der Historiker und frühere Verleger Ernst Piper seinen Austritt aus der SPD bekannt. Der Grund sei die „Rehabilitierung“ Gerhard Schröders durch den neuen SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sowie das Eingehen der SPD Brandenburg auf Forderungen des BSW.

Das alles gewinnt an zusätzliche Brisanz vor dem Hintergrund des beginnenden Wahlkampfes in Berlin und der Instabilität der Ampelregierung, die schon in wenigen Tagen auseinanderbrechen könnte. Noch verwunderliche ist das Verhalten von Dietmar Woidke und der Brandenburger CDU. Um die AfD an der Macht in Potsdam zu hindern, bedarf es anders als in Sachsen und Thüringen nicht einer Koalition mit dem BSW! Denn wie Marion Voigt in Thüringen reichen auch der SPD in Brandenburg zum Regieren 44 der 88 Sitze im Landtag! Das ist eben gerade keine Minderheitsregierung wie so viele schreiben oder äußern, die nicht rechnen können oder ein Interesse daran haben, das so zu sehen. Denn niemand kann gegen diese 44 Stimmen von SPD und CDU etwas durchsetzen. Einziger Schönheitsfehler: bei der Wahl des Ministerpräsidenten könnte nach der Brandenburger Verfassung ein dritter Wahlgang nötig sein (Art. 83). Und in der Verfassung heißt es auch: “Der Landtag fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, es sei denn, diese Verfassung bestimmt etwas anderes.” (Art. 65, Satz 1). Das ist aber für normale Gesetze nicht der Fall.

Warum also will der Brandenburger Ministerpräsident, der im Wahlkampf noch den Eindruck erweckte, dass er lieber mit der CDU als mit den unerfahrenen Abgeordneten des BSW zusammenarbeiten würde, unbedingt mit dem BSW regieren? Warum behauptet der Brandenburger SPD-Generalsekretär David Kolesnyk, dass es zu Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und BSW keine Alternative gäbe? Dreiste Lüge, Unfähigkeit zum Rechnen oder schon die Strategie für einen neuen Friedens-Wahlkampf der SPD auf Bundesebene? Aber offensichtlich ist auch die CDU nicht daran interessiert, Woidke und die SPD hiermit unter Druck zu setzen. Oder es reicht einfach intellektuell nicht, man soll nicht Absicht unterstellen, wo Dummheit als Erklärung ausreicht.

Ist also die SPD-Basis in Brandenburg und bundesweit gerade dabei, einen neuen Verrat zu üben? Weil Bundespräsident Steinmeyer seinen Wahlkreis in Brandenburg (Havel) hatte und Bundeskanzler Scholz immer noch in Potsdam? Welche Rolle spielt dabei der Vorgänger Woidkes im Ministerpräsidentenamt Matthias Platzeck, der auch einmal eine hohe Ehrung des russischen Geheimdienstes annahm und die Anfragen zu den Treffen in Baku auch von der Investigativ-Abteilung der „Zeit“ nicht beantwortete? Interessieren nur mich diese für die deutsche und europäische Geschichte und Zukunft relevanten Fragen?

Welchen Beitrag können unabhängige Medien und der Öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland leisten, dass wir uns nicht wieder vor der Geschichte und unseren östlichen Nachbarn schuldig machen? Im Jahr 2009 erklärte das Europäische Parlament den Jahrestag des Hitler-Stalin-Pakts vom 23. August 1939 zum europaweiten Gedenktag an die Opfer aller totalitären und autoritären Regime. Hierzulande steht dieser Tag aber noch immer unter dem Verdacht, er diene dazu, die nationalsozialistischen Verbrechen zu relativieren. So verweigerte die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten dem Verein KGB-Gefängnis Leistikowstraße Potsdam im vergangenen Jahr eine Veranstaltung anlässlich des Gedenktags, auf der auch die lettische Botschafterin in Deutschland sprechen sollte. Ein neuer Bildungsminister in Brandenburg könnte diese Wissenslücke schließen, es sei denn, er käme vom BSW.

Ich fordere auch in Erinnerung an die Friedlichen Revolution vom Herbst 1989 und den Tag des Mauerfalls am 9. November massiven Protest gegen einen drohenden verantwortungslosen und geschichtsblinden Wahlkampf der SPD mit einem russischen Scheinfrieden. Eine Appeasement-Strategie gegenüber Putin zum Gewinnen nationaler Wahlen und zu Lasten der Ukraine und ganz Europas ist etwas, für das sich alle Deutschen schämen sollten.