Selten hängt der Verlauf von Geschichte nur von einem einzigen Menschen ab. Der am 5. Dezember im Alter von 95 Jahren in Südafrika verstorbene Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela war solch ein außergewöhnlicher Mensch!

Mandela war neben Martin Luther King der wohl wichtigste Vertreter im weltweiten Kampf gegen Apartheid. Er kämpfte mit dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) gegen die Unterdrückung der Schwarzen, nicht nur in Südafrika. Als er nach 27 Jahren im Februar 1990 aus der politischen Haft entlassen wurde, war es ihm zu verdanken, dass es einen weitgehend friedlichen und geordneten Übergang in Südafrika gab.
Wer sich die aufgeheizte Stimmung und Situation von damals bewusst macht, kann diese Leistung nicht hoch genug bewerten. Er war es, der Rache und Lynchjustiz an Weißen und verschiedenen ethnischen Gruppen verhinderte. Bei den ersten demokratischen Wahlen 1994 ging der ANC mit absoluter Mehrheit als Sieger hervor. Nelson Mandela wurde der erste schwarze Präsident Südafrikas. Er erreichte eine Einbindung von Vertretern anderer Parteien in seine Regierung, auch aus der National Party seines Vorgängers de Clerk.

Um deutlich zu machen, welch eine Bedeutung Mandela für Südafrika hat und was auch heute noch auf dem Spiel steht, der sollte sich an den letzten Auftritt vor großem Publikum am 11. Juli 2010 erinnern. Ich saß damals neben einem jungen Pärchen aus Johannesburg in einer Kurve des Soccer-Center beim Endspiel der Fußballweltmeisterschaft. Als der afrikanische Präsident Jacob Zuma durch den Stadionsprecher begrüßt wurde, gab es ein begeistertes Pfeifkonzert. Als jedoch Mandela im Golfwagen über den Rasen fuhr, erhoben sich zu seiner Ehre alle Stadionbesucher. Meine Nachbarn waren außer sich vor Freude; Standing Ovations und ohrenbetäubender Jubel für diesen großen Menschen und Vater der Nation war für sie genauso selbstverständlich wie die Ablehnung des amtierenden Staatschefs.
Schon die Berichte um das familiäre Erbe Nelsen Mandelas haben Zweifel aufkommen lassen am friedlichen Fortgang der Geschichte in Südafrika. Es ist diesem Land nichts mehr zu wünschen, als dass alle seine Bürgerinnen und Bürger, Menschen mit den unterschiedlichsten Geschichten und Unrechtserfahrungen, Täter und Opfer von einst, das politische Erbe Mandelas bewahren mögen: Ohne Frieden und Versöhnung ist Entwicklung nicht möglich.

Veröffentlicht in: BZ online, 6.12.2013